„Hilfe! Mein Kind spielt Fortnite!“ Keine Panik, so gehen wir damit um.

Viele Eltern sprechen nur mit vorgehaltener Hand darüber, ich spreche es heute aus: Fortnite, darum geht es heute scheinbar überall und ein Ende des Hype ist nicht abzusehen. Dieses Spiel, das wie kein anderes derzeit Kinder- und Wohnzimmer erobert, da es sowohl auf Smartphone, dem PC und Konsolen wie Xbox und Playstation läuft. Dieses Spiel, das als Free-to-Play Titel gratis zum Download angeboten wird, ist eines der am profitabelsten Spiele in der Computerspielegeschichte. Die Einnahmen belaufen sich auf ca. 2 Millionen Dollar am Tag* (Stand Oktober 2018).

Das für Kinder ab 12 Jahre freigegebene Spiel Fortnite ist extrem populär und sicher spielen auch einige Freunde Ihres Kindes diesen Shooter, der mit hübscher leuchtender Grafik daherkommt und auch auf Blut und Gewaltszenen beinahe verzichtet – beinahe, denn es wird sehr wohl mit Waffen auf andere Spieler geschossen.

Was ist Fortnite und wo sind die Risiken?

In unserer Jugend war Doom oder Duke Nukem auch sehr populär, wenn auch mit nicht so einer Menge an Spielern. Wir waren eigentlich auch zu jung um diese Spiele zu spielen, doch Fortnite wurde gegenüber klassischen Shootern wesentlich ‚entschärft‘ um das Game dem breiten Publikum zugänglich zu machen. Das ist natürlich das Geschäftsmodell: Was den Titel Fortnite gefährlich macht, ist meiner Meinung nach nicht primär die Gewalt im Spiel. Der Suchtfaktor durch das ausgefeilte Gameplay, der immer weitergeführten Story und der wunderschönen und schnellen Grafik sind schon sehr fesselnd. Doch die clever eingebaute Shopping-Funktion ist der gefährlichste Kritikpunkt. Es gibt unzählige kosmetische Änderungen wie die Spielfigur (das Skin), Tools wie der Flug-Gleiter oder die Spitzhacke zum Ernten von Rohstoffen. Es gibt Sticker und Motive, die man mit der Sprühdose an alles in der Spielewelt sprühen kann. Als wäre es nicht genug, kommen immer neue Tänze in das Spiel, die ebenfalls in der Kommunikation zwischen Gamern eine Rolle spielen. Erst gestern wünschte sich unsere Tochter einen Tanz, den die Spielfigur auf Knopfdruck in der Spielewelt tanzt. Sie hatte eine 2+ in einer Klassenarbeit nach Hause gebracht und ich gab tatsächlich 5 Euro für ein kurzes Gezappel auf dem Bildschirm aus. Naja, unsere Tochter ist glücklich. Diese Tänze haben auch bereits den Sprung in unsere Gesellschaft geschafft – alle kennen und können den Floss, oder nicht?

Fortnite Battle Royale
Fortnite Battle Royale

Wer die Zahlungsfunktion auf der Konsole oder dem PC nicht blockiert hat, sollte den Kontoauszug im Auge behalten – die Versuchung der Kids ist groß. Alternativ kann man durch den SeasonPass, den ich in diesem Jahr zweimal für gute Schulzensuren gekauft habe (je 9.90 Euro), einige Extras für wenig Geld im Spiel erhalten. Da das Spiel gratis auf nahezu allen Endgeräten erhältlich ist, sehe ich keinen Grund nichts dafür auszugeben. Bisher belaufen sich unsere ausgaben auf ca. 25.- Euro für ein Spiel, das auch durchaus in der Anschaffung hätte etwas kosten können. Wer durch den Beruf oder andere Gründe die Kinder beim Spielen nicht kontrollieren kann, sollte auf zusätzliche Software oder die Zeitregulierung auf der Xbox zurückgreifen, damit nicht der geregelte Tagesablauf oder gar die schulische Leistung darunter leidet.

Wie gehen wir damit um?

Meine Frau hat an Computerspielen kein Interesse, daher fällt dem Papa in der Familie Nakieken diese Aufgabe daran zu. Ich habe für mich nach einigen Überlegungen nur einen Weg gefunden, die Nutzung zu kontrollieren: Ich spiele gelegentlich mit. Des Weiteren empfehle ich das Spiel und verfügbare Spielzeit nicht als Belohnung oder zur Strafe von Leistungen des Kindes zu nutzen. Auf diesem Weg stellt man „das Spiel“ noch auf einen Sockel, der immer stärker umkämpft wird. In anderen Familien haben Eltern diesen Kampf aufgenommen und verloren – ich bin froh, dass es bei uns (bisher) mit der Nutzung sehr gut und völlig stress- / streitfrei funktioniert. In der Familie gilt, zuerst die Hausaufgaben, dann können wir über das Spielen reden. Gespielt wird maximal 2 Mal in der Woche – für mehr bleibt keine Zeit und unser Kind kommt damit sehr gut klar, da wir noch andere Termine wie Tanzunterricht, Hausaufgabenbetreuung usw. füllen.
Und wenn es zuviel wird? Unterbrechen Sie ein Spiel nicht mit den Worten „In 5 Minuten ist Schluss.“, das Spiel kann auch fast eine halbe Stunde dauern. Sagen Sie besser „Nach dem Spiel ist Feierabend“, das gibt keinen Stress und wird dann auch ohne Rebellion sicher akzeptiert. Sie sehen sich ja auch keinen halben Film am Abend an, oder? ;-) Es sind die Familien im Vorteil, die eine klassische Konsole im Wohnzimmer stehen haben. Da unsere Tochter keinen PC und keine Konsole im Kinderzimmer hat, fällt uns die Kontrolle so wirklich leichter.

Wie spiele ich als Elternteil mit meinem Kind Fortnite?

Das ist nicht schwer, dank der Crossplay-Funktion können auch unterschiedliche Endgeräte miteinander spielen. Unsere Tochter spielt eigentlich nur auf der Microsoft XBox One. Ich klinke mich dann von meinem PC ein. Hier kann man das Spiel ebenfalls bequem herunterladen und muss nur den Spielernamen auf die Freundesliste setzen. Schon kann man zusammen zocken. Tochter sitzt im Wohnzimmer und ich am PC im Büro. Wir lassen dann einfach die Tür in den Flur offen und können dann dabei sogar laut miteinander reden (ich habe noch kein Headset am PC, aber irgendwann löse ich das sicher auch noch).

Viel hat sich verändert in den letzten 30 Jahren – man könnte auch von einem Wandel sprechen. Ich bin in den 80ern mit Computerspielen auf 8-Bit Computern aufgewachsen. Bekennende Spieler aus dieser Zeit würden mir sicher zustimmen, dass wir ein höheres Risiko von sozialer Isolation hatten, da damals die wenigsten etwas mit Nerds zu tun haben wollten. Doch diese Isolation haben wir wissentlich akzeptiert, es war das ‚Opfer‘ wert. Heute ist das bei einem Massenphänomen wie Fortnite genau anders herum. Wer nicht spielt, hat nichts beizusteuern und gehört im schlimmsten Fall nicht zur Gruppe. Es ist kompliziert und ein doch höchst interessantes Experiment, das man mit den 80er und 90er Jahren nicht vergleichen kann. Unsere Tochter ist derzeit in der Klasse das einzige Mädchen, die mit den Jungs in ihrer Klasse Fortnite spielt.

Die anderen Mädchen im Freundeskreis unserer Tochter mögen das Spiel nicht. Scheint es wirklich primär ein Spiel für Jungs zu sein? Ich habe das Gefühl, dass einigen Freundinnen dieses nicht schmeckt, dass unsere Tochter so viel mit den männlichen Klassenschwärmen (online) abhängt und sich auf diesem Weg einiges an Zickenterror einhandelt. Einen Plan habe ich dazu noch nicht, ich beobachte das Phänomen weiter. Bisher kann ich nicht unbedingt feststellen, dass es einen negativen Einfluss hat wünsche mir aber, dass bald ein paar Mädchen mit dazu kommen um die Situation zu entschärfen.

Fortnite "Rettet die Welt" ist kostenpflichtig
Fortnite „Rettet die Welt“ ist kostenpflichtig

Fortnite „Rettet die Welt“ ist ein kostenpflichtiger Spielmodus, bei dem man zusammen gegen Computergegner spielen kann

Wie regulieren wir grundsätzlich die Nutzung der ‚Neun Medien‘?

Wir verbieten in der Familie nicht gerne „Dinge“. Da man so diese verbotenen Themen sonst nur interessanter macht – wir machen mit und informieren uns mit unserem Kind gemeinsam. Da ich schon hauptberuflich in der Medienwelt leben muss, bin ich gerne als ‚Flügelmann‘ dabei und so auch einer der Kumpel meiner Tochter. Ich bin selbst auf Instagram, Musica.ly (heute TicToc) und einigen anderen seltsamen Social Media Plattformen. So kann ich mir selbst ein Bild davon machen, welche Plattform oder welches Spiel welche potentiellen Gefahren birgt und was wir vielleicht auch selbst in den Unternehmen einsetzen können. Zudem hilft die gemeinsame Nutzung dieser Apps, Games und Co. uns, über diese Themen auszutauschen. Ja, wir haben die Möglichkeit uns dann auch am Tisch über diese zu unterhalten. Ein großer Vorteil, gerade bei den Heranwachsenden, die sich langsam aber sicher immer schneller von den Eltern entfernen (oder diese sonst im Know-how überholen). Nun, ich habe beschlossen so lange mitzumachen, wie ich kann und lerne dabei auf diesem Weg auch immer wieder neue interessante Dinge kennen, die die Jugend gerade für ziemlich angesagt hält.

Der medienfreie Tag in der Familie

Derzeit haben wir zwei Tage in der Woche als „Mendienfreier Tag“ festgelegt. Hier gibt es kein TV, keine Xbox und kein Handy. WhatsApp und Telefonieren ist gestattet (durch Software reguliert), alles andere kann man nicht nutzen. Auf dem iPhone gibt es sowas schon vom iOS System – da hat Apple wirklich die Hausaufgaben gemacht. Auf Android nutzen wir Screentime, sind aber nicht gerade sehr zufrieden mit der Administration der App. Ja, es funktioniert, obwohl ich hier noch immer eine etwas „einfachere“ App suche, da ich kein Freund der Oberfläche bin. Die Kosten liegen bei Screentime bei 3,39 €/Monat oder 33.99 €/Jahr.

Wir haben bemerkt, dass wir durch diese Tage viel mehr zusammen erleben und sprechen. Der „Kein Handy am Tisch“-Modus holt schon fast Zustände zurück, die Jahre zurückliegen. Ich kann es nur empfehlen über sowas nachzudenken.

Das Einführen war einfacher wie gedacht. Wir haben uns darüber unterhalten und unsere Tochter hat dem ohne ein Veto direkt zugestimmt. Sicher würde sie einen Tag gelegentlich gerne wieder fallen lassen, aber bislang haben wir es fast immer durchgehalten. Einzig in den Ferien haben wir es bisher ausgelassen und uns nicht daran gehalten.

Es liegt in unserer Hand den Kontakt zu den Kids nicht zu verlieren

Soviel zu meiner Motivation und der Empfehlung es mir vielleicht gleich zu tun. Es ist kein Wunder, dass uns die Jugendlichen früher oder später nicht mehr auf dem Laufenden halten. Wenn man uns Eltern alles immer im Detail erklären muss, sinkt natürlich die Motivation sich mit den ‚alten Leuten‘ auszutauschen. Gut dass das aber in unseren Händen liegt – in Deinen auch!
Ein Realitycheck dazu bekam ich als ich mich vor einiger Zeit in die Nähe von anderen Eltern in der Schule gesellte, die selbst Kinder nach dem Unterricht abholen wollten. Ich bemerkte im Vorfeld ein intensives Gespräch, in dem es um irgendetwas im Internet ging und war neugierig zu erfahren, um welches Thema sich das Gespräch drehte. Diese Eltern hatten sich gerade über irgendeine Problematik in Facebook unterhalten, solch banale Probleme, dass ich davon graue Haare bekam (die sieht man heute noch :)

Es ist klar, dass viele Kinder den eigenen Eltern in den neuen Medien auch schon mit 12 Jahren überlegen sind. Doch liebe Eltern, ich finde, dass es unsere Pflicht ist, unsere Kinder in der Medienwelt so weit wie möglich zu begleiten, um sie zu schützen. Es ist schade zu beobachten, dass viel weniger Eltern noch mit den Jugendlichen richtig kommunizieren und diese in ihrer Medienwelt alleine lassen. Eine andere Situation, die man oft an der Schule beobachten kann, resultiert aus diesem Abstand: Wirklich seltenst erlebe ich dort noch eine herzliche Begrüßung – stattdessen ist meist eine Seite mit einem Smartphone beschäftigt. Es gibt wenig bis keine Emotionen … wie kann das sein?

Wer versucht in den Medien auf der „Höhe“ zu bleiben, kann sich mit den Kindern auch weiterhin unterhalten, auch wenn es deren Themen sind, aber das ist doch besser als sich anzuschweigen? Ich finde, das ist unbezahlbar und signalisiert dem Nachwuchs auch Interesse an dem was diese tun und wofür sich die Kinder interessieren. Daher treibe ich mich auch in der vernetzten Kampfgruppe „Fortnite“ immer wieder in der Nähe herum, um über die Freunde ein wenig mehr zu erfahren. Gerade im Spiel entfalten sich ungefiltert die wahren Charakterzüge wie Rechtschaffenheit, Egoismus usw. in den Figuren zu lesen ist hier wirklich sehr leicht! Ich hoffe schon mit einem Jungen gekämpft zu haben, ehe er hier zu Besuch kommt :-D

Gibt es Risiken oder gar Vorteile?

Es würde mich interessieren wie Du darüber denkst. Ich würde mich mega freuen, wenn Du Deine Meinung hier kommentieren würdest. Wir lernen alle nur dazu und ich bin gespannt, wie andere Eltern das Problem lösen oder für sich gelöst haben.

Quellen: Eigene Erfahrung und https://sensortower.com/blog/fortnite-daily-revenue-season-five

Jürgen

Ich bin Jürgen und als glücklicher Familienpapa und arbeite als Mediendesigner in Wiesmoor und entdecke mit unserer kleinen Familie die Welt. Was uns wichtig erscheint, müssen wir hier in unserem Blog niederschreiben. Abonniere uns, damit du immer auf dem Laufenden bleibst: Wir posten Fotos auf Instagram und haben dem Podcast nun auch einen Kanal unter Friesenzeit dort eingerichtet :-) Bis bald! PS: 'Nakieken' ist übrigens Plattdeutsch und bedeutet soviel wie "genauer hinsehen" und genau das ist Programm hier im Blog.

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