Die Glocken von Ayenwolde – Friesenzeit Podcast Folge 7

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Jürgen Jester
Erzähler

Hallo liebe Hörerinnen und Hörer! Wieder gibt es eine neue Fortsetzung des Hörspiel-Podcasts Friesenzeit rund um Sagen und Legenden aus Ostfriesland und darüber hinaus. Heute freue ich mich mega euch mit nach Moormerland zu nehmen – jedoch reisen wir ein paar Jahrhunderte zurück in der Zeit.

Nachdem ich dann noch einige Inhalte recherchiert hatte, ist es jetzt so weit. Ich konnte die Sage neu niederzuschreiben und endlich alle Elemente einsetzen, die mir für die Erzählung und ein wenig Spannung wichtig erschienen. Hoffentlich kann ich dazu beitragen, dass auch diese Sage nicht in Vergessenheit gerät. Wenn Du mich dabei unterstützen magst, freue ich mich sehr, wenn Du die Folge mit Freunden oder Familie teilst – danke <3 Ich hoffe, die neue Folge gefällt Dir und kann vielleicht beim Einschlafen oder beim Träumen von Ostfriesland helfen ;-) Wie immer freue ich mich natürlich über jeden Kommentar, neue Idee oder Anregungen aller Art :)

Viele liebe Grüße aus Wiesmoor,
Jürgen

Hier nochmal die Textversion. Aufmerksame Hörer:innen werden es vielleicht schon bemerkt haben, dass ich hier und da beim Einsprechen mich doch für ein paar Änderungen entscheide, weil es dann vielleicht besser klingt – man möge mir verzeihen. Hier also zum Mitlesen:

Die Glocken von Ayenwolde

Das Transcript des Podcasts

Unsere Geschichte trug sich in einer frostigen Nacht zu. Und dort, wo die fernen Weiten Ostfrieslands von salziger Luft und rauen Winden geprägt war, erstreckte sich noch vor wenigen Jahrhunderten eine unheilvolle Landschaft, die viele Legenden und Geschichten erzählen kann.

Die Region, wo sich unsere Erzählung zugetragen haben soll, kennen wir heute unter dem Namen Moormerland. Wer nun wissentlich nickt, möchte ich nur entgegnen, dass es ein ganz anderes Moormerland war, als heute. In den alten Tagen, war Moormerland viel größer und umfasste die größten Teile der heutigen Samtgemeinden Jümme, Hesel und der Stadt Leer.

Hier, wo der Himmel sich mit einem undurchdringlichen Grau über das Land legte und das winterliche Klima der Nordsee für einen Niederschlag nach dem anderen sorgt, lagen die beiden alten Dörfer Ayenwolde und Hatshausen, das damals noch den Namen Harstahusum trug.

Zwischen diesen Gemeinschaften, deren gegenseitige Abneigung scheinbar genauso alt schien wie die rauen Winde unserer Küste, entspann sich ein schicksalhafter Vorfall, dessen Geschichte bis heute überliefert wird.

Die Einwohner beider Gemeinden lebten in einem unerbittlichen Zwist. Und bei jeder Gelegenheit suchte man in beider Orten nach der nächsten Boshaftigkeit gegen die andere Gemeinde.

Wie bei einer Schachpartie dauerte es nie sehr lange, bis die nächste Niedertracht ausgeheckt war. Und als der Frost Ostfriesland wieder einmal fest im Griff hatte, schmiedeten die Bewohner von Hatshausen einen neuen finsteren Plan, der alle anderen Taten früherer Anschläge bei weitem übertreffen sollte:
Der Diebstahl der Glocken von Ayenwolde.

Wenige Tage später, als der Mond von trächtigen Wolken erstickt wurde, schlichen sich die Hatshausener im Schutze der Nacht wie Geister auf Schlitten und Gespannen durch die frostige Landschaft nach Ayenwolde, wo die meisten Bürger nach einer feierlichen Völlerei tief schliefen. Ein schauerlicher Wind fegte durch die Straßen und der Schnee dämpfte die Geräusche derer, die zum Rauben gekommen waren.

Die Aufregung unter den Dieben wuchs, als sie sich mit Schlitten und Hebebaum dem Turm der Ayenwolder näherten und wahrhaftig alle Bewohner des Ortes tief schliefen.

Gedämpfte Stimmen vermischten sich mit dem Knirschen des gefrorenen Bodens, als die Hatshausener geschickt und fast lautlos jedes Hindernis überwanden und den Glockenturm erreichten. Mit geschickten Händen und unterdrücktem Atem öffneten sie die Tür, die sich problemlos in die frostige Nacht öffnete. Niemand im Ort schien mit einem so niederträchtigen Plan des Nachbarortes gerechnet zu haben.

Im Inneren wurden die beiden Glocken, die seit Generationen das Leben der Ayenwolder begleitet hatten, behutsam mit dem Hebebaum übernommen. Ein Moment der Stille durchzog den Raum, bevor die Diebe behände die Glocken vorsichtig auf ihre Schlitten luden, als wäre eine spürbare Aura der Vergangenheit in ihrer Umgebung.

Die Flucht begann leise im Schatten des Turms und des nächtlichen Eispanoramas. Die gestohlenen Glocken ruhten auf den Schlittenkufen, während die Pferde unter dem Gewicht der hinterlistigen Tat schnaubten.

Ein eisiger Wind peitschte durch die winterlichen Lande, als die Hatshausener mit ihren kostbaren Beutestücken gen Heimat davoneilten. In der Dunkelheit hallte nur das Knirschen des Eises und das gedämpfte Flüstern des Windes im Schnee. Der Raub, perfide und zugleich majestätisch, wurde zu einem neuen Tanz zwischen den Dörfern. Denn während die entwendeten Glocken stillschweigend ihre eigene Geschichte in die kalte Nacht trugen, wurde der Diebstahl doch bemerkt.

Die Ayenwolder, durch den Klang der Pferde und Schlitten geweckt, eilten den Dieben hinterher. Entschlossen, ihre heiligen Glocken zurückzuholen, war es nicht schwer, den tiefen Spuren im Schnee zu folgen.

Als die Männer aus Hatshausen die Verfolger hinter sich hörten, trieben sie ihre Pferde zu noch größerer Geschwindigkeit an und wählten dafür das eisige Sandmeer, das von einer dicken Eisschicht bedeckt war.

Doch das Schicksal lauerte unter der eisigen Decke. An einer Stelle, die dem Gewicht nicht gewachsen war, brach das Eis, verschlang Schlitten, Glocken und Hebebaum im moorigen Eiswasser. Mit knapper Not schnitten die Hatshausener die Riemen durch, um wenigstens ihre Pferde zu retten.

An einem gähnenden Loch im Eis standen sie nun. Während die Ayenwolde auf der einen Seite vergeblich nach ihren gestohlenen Glocken Ausschau hielten, konnten die Hatshausener die Tat noch immer nicht glauben. Ungläubig starrten beide Parteinen auf den Ort des Geschehens als sich schließlich Resignation ausbreitete, da alle, die hier standen, sicher waren, dass die Glocken verloren waren.

Die verlorenen Glocken von Ayenwolde gerieten jedoch nie in Vergessenheit und immer wieder erzählten Reisende, die die Region durchquerten, von ungewöhnlichem Glockenklang. Selbst als das Wasser sich nach Jahren zurückzog und Schlamm an die Stelle des Wassers trat, blieben die Glocken verschwunden.

Und weitere Dekaden später, als das Sandmeer bereits trocken gelegt war und die Menschen mutig genug wurden, das versunkene Geheimnis zu ergründen, wagten sie sich erneut mit Spaten und Hacken an die gefrorene Erde. Doch das rätselhafte Schicksal der Glocken schien standhaft … und von einer unsichtbaren Hand geschützt zu sein. Im flüsternden Wind und über die Anstrengung der Ausgrabungsarbeit hinweg fanden die Suchenden nichts bis auf das Echo vergangener Zeiten.

Es rankten sich heute viele Legenden um die verlorenen Glocken. Manche behaupteten noch immer, den fernen Klang der Glocken in einsamen kalten Nächten zu hören, während andere glaubten, dass sie von Geistern gehütet wurden, die in den vielen vergangenen Streitigkeiten beider Dörfer zum Opfer gefallen sind. Ganz so, als wollten sie die Lebenden immer wieder daran erinnern, welches Leid Konflikte bedeuten. Damals … genau wie heute.

Vielen Dank, dass du mir auch in dieser Folge wieder dein Ohr geschenkt hast. Lass uns doch gerne auch auf anderen Kanälen in Kontakt bleiben. Du findest mich zum Beispiel unter Friesenzeit auf Instagram oder unter meinem Namen auf LinkedIn. Beide Links findest du auch in den Shownotes. Wir hören uns in der nächsten Folge wieder. Bis dahin, bleib gesund und ein schönes – hoffentlich friedliches Weihnachtsfest … bis bald, bis es wieder heißt: Willkommen zur Friesenzeit.

Weiterführende Links:
https://www.moormerland-tourismus.de
https://docplayer.org/39313103-Geschichte-der-ortschaften-hatshausen-und-ayenwolde.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Hatshausen
https://kirchengemeindelexikon.de/einzelgemeinde/hatshausen/

Friesenzeit auf Instagram: https://www.instagram.com/friesenzeit/
Mein Profil auf LinkedIn: www.linkedin.com/in/jürgen-jester-36166a264

Musik:

Titelmusik von Julius H. auf Pixabay

Zwischenstück / Musik by Ashot Danielyan auf Pixabay

Winterlicher Sound Effect by Gioele Fazzeri auf Pixabay

Jürgen

Ich bin Jürgen und als glücklicher Familienpapa und arbeite als Mediendesigner in Wiesmoor und entdecke mit unserer kleinen Familie die Welt. Was uns wichtig erscheint, müssen wir hier in unserem Blog niederschreiben. Abonniere uns, damit du immer auf dem Laufenden bleibst: Wir posten Fotos auf Instagram und haben dem Podcast nun auch einen Kanal unter Friesenzeit dort eingerichtet :-) Bis bald! PS: 'Nakieken' ist übrigens Plattdeutsch und bedeutet soviel wie "genauer hinsehen" und genau das ist Programm hier im Blog.

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